Angela Pundschus
Die meisten Frauen setzen alles daran, einen Mann zu ändern, und wenn sie ihn dann geändert haben, mögen sie ihn nicht mehr.
(Marlene Dietrich)
Der männlichen Spezies unserer Art werden manche Unarten nachgesagt. Sie pupsen, rülpsen, schnarchen, können sich nur auf eine Sache zur selben Zeit konzentrieren und sollen teils ungepflegt sein. Diese Art Mann mag es geben und bei unseren Partnern hin und wieder durchkommen. Fragen wir uns doch mal, wer es ihnen beigebracht hat. Die Mütter, und wir sind ebenfalls Mütter, zum Großteil zumindest. Was bringen wir unseren Söhnen bei? Auch ich besitze so ein Prachtexemplar der männlichen Gattung, bei dem einige Unarten ab und an durchkommen. Wobei ich gestehen muss, ich habe gelernt, sie zu lieben, wie ich den ganzen Kerl, dort auf dem Sofa neben mir, lieben gelernt habe.
Ich nenne einen liebevollen Vater und Ehemann mein eigen, der jeden Tag duscht, das Vorurteil widerlegt, dass Männer nicht ganz so häufig die Unterwäsche wechseln wie Frauen, der sogar besser putzen kann als seine Frau und der niemals in Jogginghose am Esstisch erscheinen würde. Der sich auch einmal einen Liebesfilm anguckt, allerdings den Actionfilm bevorzugt. Ab und an allerdings entscheidet sich diese Ausgabe von Mann, doch das zu sein, als was er geboren wurde. Um es einmal mit den Worten von Frank Sinatra zu sagen:
Eine Frau macht keinen Mann zum Narren; sie sitzt bloß dabei und sieht zu, wie er sich selbst dazu macht.
Die Männerwelt ist ein Kosmos, den wir Frauen nie ganz erschließen werden. Sie sind viel unkomplizierter, als wir Frauen denken, man muss nur verstehen lernen, wieso sie so sind, wie sie sind.
Warum gehen sie nicht gerne einkaufen? Wer sagt, dass sie es nicht gern tun, sie kaufen anders ein. Wenn sie ohne ihre weibliche Hälfte oder mit Kumpels losziehen, wissen sie genau, was sie wollen, gehen in den Laden und greifen zu. Männer haben, statistisch gesehen, nach 43 Minuten ihren Einkauf erledigt und können im Anschluss noch gepflegt ein Bier trinken gehen. Das macht den Männern Spaß. Gehen sie mit ihrer Frau los, sind sie geschlagene fünf Stunden in acht Geschäften und bepackt mit fünf Einkaufstüten unterwegs. Das macht ihnen keinen Spaß mehr.
Wir sagen den Männern Vergesslichkeit nach. Wissenschaftlich bewiesen; sie können nichts dafür. Sie sind für einfache Gedankengänge geboren und sie sind erst in der Lage, sich eine Sache zu merken, wenn wir ihnen Eselsbrücken bauen. Ein Beispiel: »Schatz, wir haben am zweiten Mai Hochzeitstag, das ist der Tag, der nach dem ›Tag der Arbeit‹ folgt, und der ist ein Feiertag.« Oder: »Ich habe am 7. Juli Geburtstag, das ist der gleiche Tag, an dem 1974 die deutsche Fußnationalelf Weltmeister wurde.«
Der Hauptdarsteller dieses Buches ist mein Göttergatte. Ein Mann der ganz besonderen Art. Damian, 39 Jahre alt, Vater zweier Kinder, 1,85 groß, dunkle kurze Haare, braune Augen, Dreitagebart-Träger, humor- und liebevoll. Einer, der unter anderem Tätigkeiten wie Stricken, Putzen und Nähen beherrscht. Dinge, an die er sich nicht wagt, sind bügeln und kochen. Eine von ihm aufgestellte These lautet: Rüste ein Bügeleisen so auf, dass es Dampf ausstößt, der nach Benzin riecht und ein Motorengeräusch beim Bügeln erzeugt, dann wäre das eine meiner Lieblingstätigkeiten. Nur manchmal kommen die alten Klischees auch bei ihm durch, und dann haben wir alle etwas zu lachen.
Begleitet mich durch seine Welt, die aus vielen kleinen Welten zusammengesetzt ist, und auf allen muss er seine Abenteuer bestehen. Die meisten der kleinen Erlebnisse werden aus meiner Sicht dargestellt, aber es wird auch Erlebnisse geben, die mit anderen Augen zu sehen sind, so wie die erste Geschichte.
Grillen ist eine hoch technische Angelegenheit und daher nur etwas für Männer.
(Verfasser unbekannt)
Baumarkt und Männerspielplatz haben mein Mann und ich Ihnen mittlerweile nähergebracht. Diese beiden Orte sind bei Weitem nicht die einzigen Plätze, bei denen die männliche Variante der Spezies Mensch glaubt, sich auszukennen. Da existiert noch ein Ort, an dem sie unschlagbar sind, wie sie glauben. Mein Mann lässt sich ebenfalls in diese Gruppe einordnen: der Grillspezialist.
Sowie die ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr die Erde erwärmen, fangen die Hummeln im Hintern meines Hasen an zu tanzen. Mit der Höhe des Sonnenstands wachsen seine Aufgaben. Vor zwei Wochen kuschelte er sich auf der Couch an mich. Ich wusste sofort, der will etwas von dir, Anna. Pass bloß auf, dass er dich nicht überrumpelt. Doch diesen treu blickenden Augen, die einen anschauten wie ein Hund, der Fressen habe möchte, konnte ich nicht widerstehen. Damians Wunsch ging in Erfüllung: Grillabend mit Freunden. Von dem Moment an war er in seinem Element, schließlich musste er noch viel bis zum heutigen Tage erledigen. Einkaufsliste an die Ehefrau; Einkaufen ist nicht sein Ding, außer es geht in den Baumarkt. Überprüfung seiner Werkstatt, ob alle Geräte vorhanden und betriebsbereit sind, sowie den Grill aufarbeiten.
Heute war also der Tag seines großen Auftritts. Bereits am frühen Morgen verschwand Damian im Keller, überprüfte ein letztes Mal die Lötlampe und den Industrieföhn, schleppte beides nach oben. Er baute den Grill eigenhändig auf und verlegte eine zusätzliche Dreifach-Steckdose. Den Rost legte er mit den Worten »Kannst du bitte mal abwaschen?« auf die Spüle in der Küche und verschwand erneut nach draußen. Ein Ruf von der Terrasse ließ mich vom Einlegen des Fleisches abkommen. Ich beeilte mich, seinem Verlangen nach mir zu folgen. »Was ist los?« »Wo hast du die Grillketts gelassen? Du weißt hoffentlich, dass die besser und länger als Kohle brennen. Wieso kann ich keine finden? Hast du keine gekauft?« »Ich? Sorry, das ist deine Aufgabe!« »Wie soll ich das bloß alles schaffen?« Er schnappte sich die Autoschlüssel und rauschte davon, während ich darüber nachdachte, was er mit »Alles schaffen« meinte. Ich war es doch, die eingekauft hatte, das Fleisch und die Salate zubereitete. Wie lange dauert es, eine Tüte Grillketts zu besorgen? Mit Sicherheit keine zwei Stunden.
Er brauchte so lange, da er nicht in den nächsten Edeka-Supermarkt, sondern gleich in seinen Lieblingsladen, in dem der gewiefte Käufer stressfreier einkaufen kann, Max Bahr gefahren war. Als ich ihn Tüten schleppend die Auffahrt hochkommen sah, wusste ich sofort, wieso er sich die Frage stellte, wie er alles schaffen sollte. Wer 120 Minuten im Baumarkt verbringt, hat am Ende mit der Zeit zu kämpfen. Nachdem er die Grillketts auf die Terrasse und die restlichen Einkäufe in den Keller gebracht hatte, holte er sich eine Cola-light aus dem Kühlschrank. Beim Verlassen der Küche meinte er zu mir, die ich weiterhin am Geschirr rausbringen, Salate zubereiten und Dressings herstellen war: »Ich bin geschafft und muss mich noch ein halbes Stündchen hinlegen, bevor die Gäste kommen.« Als ich zehn Minuten später ins Wohnzimmer kam, lag er dort auf der Couch und schlummerte seelenruhig vor sich hin. Die Anstrengungen waren einwandfrei zu viel für ihn gewesen.
Eine Stunde später stand er topfit in der Tür und verkündete stolz, dass er nunmehr den Grill anfeuern werde. Schwupp hatte er die Küche wieder verlassen. Keine fünf Minuten später, als ich ins Wohnzimmer ging, um mich für ein paar Momente hinzusetzen, erblickte ich ihn auf der Terrasse. Damian stand dort wie ein Cowboy in einem guten alten Western. In der einen Hand den Industrieföhn, der volle Pulle lief, in der anderen die Lötlampe, deren Flammen direkt auf die Grillketts gerichtet waren, und im rechten Mundwinkel eine glühende Zigarette. Dies war seine Standardhaltung am Grill, mit dem Kopf in den Rauch gebeugt, zwecks Kontrolle, ob die Grillketts bereits zu glühen anfingen. Ein freudiges Lächeln umspielte seinen Mund, als er die erste glühende Kohle erblickte.
Kaum hatte ich mich auf dem Sofa niedergelassen, kam er angetrottet. Leichter Ruß hatte sich auf seinem Gesicht abgesetzt. »Ist das Fleisch fertig? Kannst du es auf einen Teller legen?« Kein Bitte, nichts, nur noch ein eilig hinten angefügtes: »Ich habe keine Zeit.« Und schnell, wie er erschienen, verschwand er wieder von der Bildfläche. Stattdessen durfte ich mich über ein paar Erdkrümel auf dem Parkett liegend freuen, da sich der Meistergriller nicht die Füße abtreten konnte. In dem Moment wurde aus dem Göttergatten ein hirnloser Mann in meinem Kopf. Als er die Treppe hochkam, mittlerweile mit Grillzange und Spieß bewaffnet, nahm er mich in den Arm, hinterließ dabei einen Rußabdruck auf meiner Wange und fragte: »Was ist los?« Ein kurzer Fingerzeig meinerseits auf den Bereich vor der Terrassentür war ihm lediglich ein kurzes Schulterzucken, verbunden mit einem »Ja und?« wert. Wissenschaftliche Forschungen gehen davon aus, dass Männer sich lediglich auf eine Sache konzentrieren können. Wenn dem so ist, dann entspricht mein Mann dem Paradeexemplar der wissenschaftlichen Forschungen und müsste in ein Labor gebracht werden. An diesem Nachmittag war er also mit dem Grillen beschäftigt; da passte keine Ablenkung der anderen Art in seinen Kopf. Jetzt galt es seinen Kumpels zu beweisen, wer die Nummer 1 am Grill ist.
Es klingelte. Mit der Grillzange in der einen Hand, der Flasche Bier in der anderen, öffnete der Master of Barbecue die Haustür und ließ die eingeladenen Freunde herein. Was folgte, entsprach der einhelligen Meinung über unsere Anhängsel. Die Männer versammelten sich um den Grill, während wir Frauen am Tisch saßen. Wir beschäftigten uns mit Kindererziehung und unseren Arbeitsplätzen. Wiederholt warfen wir einen prüfenden Blick auf die Grill-Crew. Erstaunlich, wie sich um die heiße Glut des runden Standgrills ebenso glühende Diskussionen über die Farbe des Grillguts, -dauer, durch oder nicht durch, Bier über das Fleisch, glückliche Kühe, die richtige Grillzange und das Anmachen der Holzkohle entwickelten. Mein Mann und seine Kumpels, die außer Bratkartoffeln kaum etwas kochen konnten, wurden hier zu Fachmännern der Essenszubereitung. Auch sehr interessant war es zu verfolgen, wie sich mit jedem weiteren Bier die Meinungen über die Art des Grills an sich, Holzkohle, Gas oder elektrisch die Gruppen aufteilten. Wir Frauen waren gerade mit der deutschen Fußballnationalelf beschäftigt, als ein lautes »Fertig!« ertönte. Voller Stolz hielt Damian ein Holzfällersteak, verbunden mit der Frage »Wer will?« in die Luft.
Das weibliche Nachmittagskaffeekränzchen hielt sich zurück, während ihre Männer sich um dieses Stück Fleisch beinahe schlugen. Auf die Frage, ob wir jetzt nicht Gemüse auf den Grill legen könnten, antwortete der tagende Fachkongress der Grill-Experten mit der Gegenfrage »Wer grillt denn so etwas?« und einem rigorosen »Nein!«.
Den Rest gab mir mein Mann an diesem Abend, als er voller Stolz vor seinen Freunden ein Poster, welches er am Nachmittag im Baumarkt erstanden hatte, ausrollte, das den exakten Grillablauf beschreibt.
Wenn ein Mann sich dazu bereit erklärt, das Grillen zu übernehmen, wird die folgende Kette von Ereignissen in Gang gesetzt:
Und hier kommt der ganz wichtige Punkt des Ablaufs:
Nächster ganz wichtiger Punkt:
Letzter wichtiger Punkt:
Dann schaute er mit einem Lächeln im Gesicht zu mir: »Und, wie war ich?«
Der einzige Mann, der wirklich nicht ohne Frauen leben kann, ist der Frauenarzt.
(Arthur Schopenhauer)
Männer nehmen keine Tabletten und gehen nicht zur Vorsorgeuntersuchung. Meist treiben sie keinen oder selten Sport. Sie verweigern gesunde Nahrung wie Gemüse und ziehen diesem lieber ein saftiges Steak vor. Doch auch für sie kommt der Tag, an dem sie merken, dass ihr Hals kratzt und die Lymphknoten anschwellen. Mit einem Schlag wird ihnen bewusst, dass ihr Körper aus mehr, als der Hülle besteht, und er an allen Ecken und Enden schmerzen kann. Damian ist da nicht anders.
Sowie er die ersten Symptome einer nahenden Erkältung spürt, sieht er überall hustende und niesende Mitmenschen um sich herum. Morgens steht er vor dem Spiegel, leuchtet sich mit der Taschenlampe in den Rachen und verkündet, dass er eine Erkältung bekommt. Doch da er ein Mann und hart im Nehmen ist, geht er selbstverständlich zur Arbeit. Nach einer solchen Ansage fahre ich erst einmal zur Apotheke und fülle unsere Vorräte auf. Ich weiß aus Erfahrung, mein Göttergatte wird am Abend, wie so oft, wieder einmal im Sterben liegen.
Warum er noch zur Arbeit gegangen ist? Wer sollte ihn denn sonst bedauern. Zu Hause findet er nicht die gleiche Aufmerksamkeit, die er bei den Kollegen bekommt. Sie sollen miterleben, wie er leidet und als echter Mann sich aufgerafft hat, trotz schwerer Krankheit noch zur Arbeit zu gehen. Auch wenn die Nase läuft, der Hals kratzt oder er glaubt, Hirn mit auszuschnupfen; Damian bleibt so lange an der Werkbank stehen, bis eine nette Kollegin ihn überreden kann, endlich nach Hause zu fahren. Dies tut sie eher aus Selbstnutz, denn ihn zu schützen. Komischerweise kommt er dieser Aufforderung sofort nach, während er meine zum Zu Hause Bleiben immer rigoros ablehnt. Liegt wohl daran, dass jetzt alle Welt weiß, er führt wieder einen Todeskampf durch.
Kaum im Haus, legt sich der Sterbende aufs Sofa, schaltet den PC an und durchsucht das Internet anhand seiner Symptome nach der schweren Krankheit oder Seuche, die ihn heimgesucht hat. Ich vernehme Worte wie H5N1oderNorovirus. Mit jedem Auffinden eines Krankheitsanzeichens, das einem seiner gleicht, wird sein Körperschwächer. Die Kinder schickt er raus. Er darf seine Nachkommenschaft schließlich nicht auch noch mit dieser schweren Infektion seines Körpers belasten. Plötzlich erinnert er sich meiner. Er ruft: »Anna! Mir geht es schlecht. Kannst du mal bitte das Fieberthermometer bringen?«
Als ich ins Wohnzimmer komme, finde ich dort eine kraftlose dahinsiechende Person vor. Ich reiche ihm das Thermometer und meine kurz: »Willst du nicht zum Arzt gehen?« »Der kann mir eh nicht helfen. Ich brauche Vitamine und bei meinem Fieber trinken, trinken und nochmals trinken.«
Mein Blick auf das Messgerät offenbart die fast unwahrscheinliche Temperatur von 37,5 Grad. Was für ein hohes Fieber?
Ein Hustenanfall, verbunden mit dem Ausschnupfen der vollen Nase und den Worten»Mir geht es gar nicht gut« lässt mich in die Küche eilen und etwas von der eingefrorenen Hühnersuppe auftauen. »Wenn du das gegessen hast, solltest du aber ins Bett gehen Dam.« »Da ist doch keiner, der auf mich aufpasst und nach mir sieht.« »Glaubst du wirklich, ich würde dich da oben allein sterben lassen?« »Kann ich nicht hierbleiben und eine Decke bekommen?« Klar kriegt er seine Decke, seine Medikamente und die Macht, sprich Fernbedienung. Beruhigt, dass er nicht einsam im Schlafzimmer sterben wird, fällt er auf dem Sofa in einen tiefen Schlaf.
Als Lena und Paul vom Sport heimkommen, lege ich meinen Zeigefinger auf die Lippen und zeige ihnen an, dass sie leise sein sollen : »Papa ist krank.«
»Ach, seine jährliche Erkältung. Braucht er mal wieder deine Extra-Dosis Aufmerksamkeit und Pflege Mama?«
»Sei nicht so frech Paul.«
Ein Rufen aus dem Wohnzimmer unterbricht unser Gespräch. »Was brüllst du hier so rum? Kannst du nicht in die Küche kommen, wenn du etwas willst?«
»Mir ist schlecht, ich habe Kopfschmerzen und meine Nase ist dicht. Hast du etwas zum Inhalieren?« Natürlich hat die gewiefte Ehefrau und Mutter etwas Derartiges in der Hausapotheke. Schnell mache ich ihm einen Topf mit heißem Wasser und Pinimenthol fertig. Er stellt sich das Gefäß auf den Tisch und verschwindet für die nächsten zehn Minuten unter dem mitgebrachten Handtuch. Das Fernsehprogramm wird alle zwei Sekunden durch ein Husten, schniefen oder stöhnen unterbrochen. Da helfen nur noch ein paar nette Worte. In den 20 Jahren unserer Beziehung habe ich gelernt, dass dies der Moment ist, in dem er bemuttert werden und ein paar Liebenswürdigkeiten hören möchte. Dies muntert ihn auf und lässt ihn für einige Minuten die laufende Nase vergessen.
Nachdem er endlich im Bett verschwunden ist, messe ich noch einmal seine Temperatur und verabreiche ihm seine Medikamente. Ich wische seine vom 37,5 Grad heißem Fieber schwitzende Stirn trocken und gebe dem Todkranken einen Kuss auf die Wange. Bevor er einschläft, höre ich noch die fiebertrunkenen Worte: »Ich bin sterbenskrank. Laut Google habe ich die Vogelgrippe.«
Kurz neige ich mich zu ihm rüber, berühre mit meinen Lippen seine Stirn, wie man es bei Kindern tut, um zu prüfen, ob die Temperatur nicht doch gestiegen ist. Es ist alles in Ordnung.
Den nächsten Tag verbringt er im Bett. Mittlerweile ist die Angst, einsam zu sterben, verflogen. Ich wechsel seine durchgeschwitzte Bettwäsche, mache ihm Tee und Hühnersuppe, lege seine Beine frei, damit das ›hohe‹ Fieber sinkt und versorge den Schwerkranken mit Medikamenten. Als es mir am nächsten Morgen schlecht geht und ich über Gliederschmerzen klage, werden mir keine Suppe oder Taschentücher gereicht, das muss ich alles selber erledigen. Auf meine Temperatur von 37,5 Grad Celsius hin höre ich als Antwort, das ist doch nur leicht erhöhte Temperatur und normal bei einer kleinen Erkältung.
Bei mir hat sich in all den Jahren der Eindruck gefestigt, dass Männer bewusst wehleidig sind, wenn sie erkranken. Sie wollen nur zeigen, dass wir Frauen genau das aus ihnen gemacht haben, was wir haben wollten; Hardcore-Memmen. Mit jeder Nahtoderfahrung in Form einer Vogelgrippe oder Sonstigem stellen sie unsere Beziehung auf die Probe. Sie testen, wie liebesfähig wir sind.
Vater: Ein Mann, der etwas geleistet hat, das Hand und Fuß hat.
(Verfasser unbekannt)
Es ist wieder so weit. Der Tag der Tage für Damian. Endlich kann er sich wieder voll daneben benehmen, sich mit seinen Kumpels treffen, dumm Tüch veranstalten und labbern, sowie sich sinnlos besaufen. Ich lass ihm seinen Spaß. Er steht früh auf, kleidet sich wie ein Superheld; sein Liebling ist Batman und sein Kumpel Hannes liebt Supermann. Heute ist Stadtpark angesagt. Es klingelt keine zehn Minuten später an der Tür. Supermann und Hulk stehen davor, hinter sich herziehend einen Bollerwagen, gefüllt mit zwei Kisten Bier, drei Flaschen Bommerlunder, einen alten Gettoblaster auf den Getränken sowie einen Grill und natürlich ein paar saftige Steaks. Die Grillkohle wackelt still vor sich hin. Ich höre ein Rauschen die Treppe herunterkommen und wusch ist Superman an mir vorbei durch die geöffnete Tür. Damian, der sonst bei jedem Ausflug eine Ersatzjacke im Rucksack hat, befördert diesmal stattdessen einen Fußball darin. Ihr Bollerwagen ist geschmückt mit Bieretiketten und Aufklebern von Fußballmannschaften. Irgendwo in der Ecke blicken mir die Panini-Bilder der deutschen Nationalmannschaft entgegen.
Es regnet. Doch das stört die Jecken nicht, denn das Bier und die Kohle sind per Regenschirm und ihre Laune durch Alkohol geschützt. Ein Begrüßungsbier muss sein, bevor es weiter geht. Die ersten schmutzigen Lieder ertönen. Ich wusste gar nicht, dass mein Mann in den Puff von Barcelona fährt oder dass bei Hannes ein Pferd auf dem Flur steht. TheIncredibles stoppen bei Jens. Der ist kein Vater, darf aber trotzdem mit, da er ein guter Fußballer ist. Die Tür öffnet sich und es erscheint Green Lantern, gefolgt von Spiderman, der wohl Ralf ist. Ebenso kinderlos aber ein hervorragender Torwart. Weiter geht es mit ›Ich liebe das Leben‹ und den 10 nackten Friseusen. Ein einziges Mal wohnten wir diesem Spektakel bei, daher weiß ich genau, was alles folgen wird, nachdem ich gesehen habe, dass Henrik von gegenüber eine Tasche mit Mega Pump-Wasserkanonen eingepackt hat. Ich lass die Tür hinter den Verrückten zufallen und beschließe, schon mal die Wärmflasche für meinen am Abend sterbenden Ehegatten zu suchen.
Ich danke Gott, dass der Stadtpark nicht allzu weit entfernt ist, denn ich höre schon die ersten Hilfeschreie von Spiderman. Die Stimme erkennt man aber auch unter Tausenden. Damians schauspielerisch kampfbereit verzogenes Gesicht setzt zum Schuss auf Hannes an. Die Pumpgun ist bereit und es bedarf nur eines Fingerzuckens. Da kommt der Schwall und trifft seinen Kumpel voll ins Gesicht. Doch die Gegenwehr lässt nicht lange auf sich warten und auch mein Göttergatte steht im Zweitregen. Das T-Shirt ist nass, aber das ist jetzt egal. Hannes beginnt zu laufen und Damian hinterher. Im Park angekommen, schmeißt Hannes sich auf den Rasen, rollt ab und zielt erneut. Mein Mann rettet sich durch einen gekonnten Hechtsprung in die Koniferen. Statt seiner treffen die beiden Wasserstrahlen auf eine weitere Horde von Superkriegern. Nunmehr entfacht sich ein wahres Nässe-Gemetzel. Sie hören erst auf, als die Waffen geleert sind. Ihr Glück, der nächste See oder Teich zur Neubefüllung ist nicht weit.
Die Hälfte des ersten Bierkastens neigt sich dem Ende entgegen und die harten Kerle haben ihr Ziel erreicht, zwar durchnässt, aber das wird sich gleich ändern, wenn der Grill angeworfen wurde.